Polyvagal Theorie: Wie sie hochsensible Menschen stärkt
Wenn Sie hochsensibel sind, kennen Sie das Gefühl, emotional viel tiefer zu empfinden als andere. Reize, Konflikte oder Stimmungen gehen ihnen oft direkt unter die Haut. Vielleicht fragen Sie sich: Warum reagiere ich so stark? – und genau hier kann ihnen die Polyvagal Theorie eine neue, sehr beruhigende Perspektive geben.
Die Polyvagal Theorie erklärt, warum Sie sich manchmal sicher und verbunden fühlen – und in anderen Momenten plötzlich in Anspannung oder Rückzug gehen. Und das ganz ohne, dass Sie etwas falsch gemacht haben.
Was Sie in diesem Beitrag erwartet:
- Was die Polyvagal Theorie ist – und warum sie für Sie als Hochsensible*r so relevant ist
- Wie ihr Nervensystem Sie steuert – auch wenn Sie es nicht bewusst bemerken
- Wie Sie durch dieses Wissen ruhiger, bewusster und verbundener werden
- Visualisierung: Das autonome Nervensystem nach der Polyvagal Theorie
Was ist die Polyvagal Theorie?
Die Polyvagal Theorie wurde vom Neurobiologen Stephen Porges entwickelt. Sie beschreibt, wie ihr autonomes Nervensystem auf innere und äußere Reize reagiert – und dabei ständig zwischen Sicherheit, Alarmbereitschaft und Rückzug wechselt.
Im Zentrum steht der Vagusnerv – eine Art biologischer Schaltkreis für emotionale Regulation. Die Theorie erweitert unser klassisches Stressverständnis („Kampf oder Flucht“) um eine dritte, sehr relevante Reaktion: das soziale Verbindungssystem.
Drei Zustände ihres Nervensystems:
- Ventrale Vagus-Aktivierung (Sicherheit & Verbundenheit)
→ Sie fühlen sich ruhig, offen, neugierig – verbunden mit sich selbst und anderen. - Sympathische Aktivierung (Kampf oder Flucht)
→ Sie fühlen sich angespannt, unruhig oder gereizt – bereit zu reagieren.
3. Dorsale Vagus-Aktivierung (Erstarren & Rückzug)
→ Sie fühlen sich leer, abgeschaltet oder wie „nicht ganz da“.
Warum ist die Polyvagal Theorie für Hochsensible so wichtig?
Wenn Sie hochsensibel sind, verarbeitet ihr System Reize intensiver. Was bei anderen vorbeirauscht, löst bei ihnen oft körperliche oder emotionale Reaktionen aus.
Die Polyvagal Theorie hilft ihnen:
- zu verstehen, was in ihrem Körper passiert, wenn sie überreizt sind
- frühzeitig Signale ihres Nervensystems zu erkennen
- gezielte Wege der Selbstregulation zu nutzen, um wieder in ihre Mitte zu kommen
Kurz gesagt: Sie bekommen eine Art „Landkarte“ ihrer inneren Zustände – und können bewusster mit ihnen umgehen.
So reagiert ihr Körper auf Reize – laut Polyvagal Theorie
Zustand | Gefühl | Körperreaktion | Mögliche Gedanken |
Sicher & verbunden | ruhig, zugewandt, klar | Herzschlag normal, Atmung tief | „Ich bin okay. Ich kann vertrauen.“ |
Kampf oder Flucht | unruhig, ängstlich, überfordert | Herzklopfen, Muskelanspannung | „Ich muss was tun. Ich muss weg.“ |
Rückzug & Erstarrung | leer, kalt, wie abgeschnitten | niedriger Puls, Flachatmung | „Es hat eh keinen Sinn mehr.“ |
Visualisierung: Das Nervensystem nach der Polyvagal Theorie

Diese Darstellung zeigt ihnen auf einen Blick, wie ihr autonomes Nervensystem auf verschiedene Reize reagiert – und welche Wege zurück in die innere Sicherheit führen.
Wie Sie die Polyvagal Theorie für sich nutzen können
1. Selbstregulation durch bewusste Körperübungen
Ihr Nervensystem liebt sanfte Reize, Sicherheit und Regelmäßigkeit. Diese Übungen helfen ihnen, in den „sicheren Zustand“ zu kommen:
- Tiefe, rhythmische Atmung (z. B. 4 Sekunden ein, 6 aus)
- Summen oder Singen (aktiviert den Vagusnerv über die Stimme)
- Sanftes Schaukeln oder Wiegen
- Körperkontakt: Hand auf Herz oder Bauch legen
2. Die Macht des Mitgefühls: Sie sind nicht „zu empfindlich“
Was ihnen vielleicht jahrelang als „überempfindlich“ gespiegelt wurde, ist in Wahrheit ein fein eingestelltes Wahrnehmungssystem. Wenn sie lernen, damit zu arbeiten statt dagegen – verändert sich alles.
3. Verbindung heilt – aber nur in sicherem Tempo
Der soziale Vagusnerv aktiviert sich durch echte, authentische Verbindung. Für Hochsensible ist das oft ein Balanceakt. Achte deshalb darauf:
- Mit welchen Menschen fühlen Sie sich wirklich sicher?
- Wo können Sie ihre Geschwindigkeit selbst bestimmen?
Welche Beziehungen nähren Sie – statt Sie zu überfordern?
Fazit: Die Polyvagal Theorie ist ihr innerer Kompass
Hochsensibilität ist kein Fehler – sondern ein fein eingestelltes System. Die Polyvagal Theorie zeigt ihnen, wie Sie die Sprache ihres Körpers verstehen – und lernen, sich liebevoll zu begleiten, statt sich zu überfordern.
👉 Sie müssen nicht „weniger fühlen“ lernen – sondern sich besser verstehen und regulieren.